Zusammen ist man weniger allein
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Ich möchte heute den Blick auf eine Lebensweise richten, die viele Menschen im ersten Impuls ablehnen würden. Sie ist zum Teil sogar verpönt.
Es handelt sich um das Zusammenleben von mehreren Generationen.
Eines vorweg: Mir ist durchaus bewusst, dass es für dieses Thema entscheidend ist, wie das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist.
Wenn man sich mit den Eltern nicht besonders gut versteht oder es Vorfälle gab, die unverzeihlich sind, dann ist ein Zusammenleben von mehreren Generationen keine gute Idee und die Ablehnung dessen nachvollziehbar.
Ich habe das Glück, dass ich immer ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern hatte und aus dieser Sichtweise ist dieser Artikel entstanden.
Auch aus meinem eigenen Konflikt heraus, dass ich nicht bei meinen Eltern in der Nähe wohne, sondern wegen der Liebe nach Hamburg gezogen bin. Ich genieße es zwar in der Stadt zu leben mit all ihren Vorzügen und denke dennoch häufig, wieviel einfacher und entspannter es wäre, bei meinen Eltern bzw. in ihrer Nähe zu wohnen.
Auch wenn die meisten ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern haben, würden sie niemals auf die Idee kommen, mit ihnen zusammen oder in deren unmittelbarer Nähe zu wohnen.
Natürlich auch aus dem Grund, dass viele durch ihre Ausbildung oder aufgrund eines Jobs in andere Städte gezogen sind und sich daher ein Zusammenleben nicht ergibt, oder weil sie lieber in der Stadt oder auf dem Land wohnen und nicht dort, wo sie groß geworden sind.
Zudem darf man nicht den Schwiegereltern-Aspekt vergessen.
Es macht meistens schon einen Unterschied, ob man zu den eigenen Eltern oder denen des Partners zieht. Entscheidend ist hier das jeweilige Verhältnis zu einander und ob man sich gegenseitig respektiert und wertschätzt.
Das alles bewerte ich nicht und wird hier auch nicht kritisiert.
Ich habe in den letzten fünf Jahren einfach viel über Familie und deren unschätzbaren Wert gelernt und mir ist bewusst geworden, welche Vorzüge es hat, wenn man sich gegenseitig unterstützen kann.
Daher werde ich heute einen Blick auf die Vor- und Nachteile werfen, die es mit sich bringt, wenn man mit seiner Familie zusammenlebt.
Der große Vorteil an Großfamilien ist, dass darin die Kinder aber auch die Mütter aufgefangen werden. Es ist immer jemand da, der einem helfen oder der sich mit den Kindern beschäftigen bzw. auf sie aufpassen kann. Jeder kümmerte sich um jeden und niemand ist einfach allein mit seinen Herausforderungen.
Ob nun Mutter oder Großmutter – man ist im Familienkonstrukt eingebettet und versorgt.
Das ist natürlich nicht immer einfach und birgt sehr viel Konfliktpotential.
Wenn man aber einmal nur die Unterstützung betrachtet, die es bedeutet, wenn man nicht alleine lebt, dann ist das Zusammenleben mit der Familie eine enorme Erleichterung.
Aber würde das überhaupt zu unserem freiheitsliebenden, unabhängigen und unverbindlichen Lebensstil von heute passen?
So viele von uns sitzen allein in ihren Wohnungen und sind verzweifelt, weil niemand da ist, der ihnen für kurze Zeit das Kind abnimmt, damit sie wenigstens kurz duschen oder sich auch einfach mal nur 30 Minuten ausruhen können.
Die viele Unsicherheit, die man beim ersten Kind hat und die Verzweiflung, die man spürt, wenn die Hebamme sich wieder auf den Weg machen will (sofern man überhaupt noch eine hat), würde deutlich geringer ausfallen, wenn ein bis zwei erfahrene Personen im Haus oder in der Nähe wären, die einen beruhigen und von deren Erfahrung man profitieren kann.
Damit wir uns austauschen können, Unterstützung und Rat finden, verabreden wir uns dann in Krabbelgruppen, Pekip-Kursen und wer weiß noch wo, um uns dann anhören zu müssen:
„Was? Deine Tochter dreht sich noch nicht?!?!?“ oder „Wie, Du gibst dem Kind jetzt schon / immer noch die Flasche?!?“ oder „Du sollst Dein Kind auf gar keinen Fall…“, „Schau mal. Mein Kleiner kann mit drei Monaten bereits…“.
Ich sage nicht, dass der Austausch unter Müttern nicht gut sei und bin natürlich der Meinung, dass man durchaus auch mal raus aus seiner Bude muss.
Aber das machen wir dann für uns!
Die Kinder brauchen das in dem Alter noch lange nicht. Denen ist das ziemlich schnurzpiepegal. Klar, finden sie es spannend, wenn sie mal ein anderes Kind sehen, aber brauchen werden sie es nicht. Das kommt erst später.
Gebe ich mein Kind stattdessen rüber zur Oma, dann wird es dort auch einmal anders behandelt und bespielt. Es bekommt neue Eindrücke und hat genug Input für den ganzen Tag.
Damit tue ich wirklich was für mich, denn jetzt kann ich mich einfach mal nur um mich kümmern und muss mich nicht um mein Kind kümmern – ein Bad nehmen, in Ruhe telefonieren oder schlafen…
Ich frage mich gerade echt, weshalb ich das nicht gemacht habe und warum wir noch immer in unserer 3,5 Zimmer Wohnung mitten in Hamburg wohnen???
Antwort:
Weil wir hier einfach so gerne sind.
Weil wir noch nicht loslassen wollen und weil es doch schon irgendwie geht.
UND – weil die Kinder doch auch größer werden (deshalb müssen wir eigentlich auch aus der Bude raus) und ich dann nicht mehr allzu sehr auf den engen Familienanschluss angewiesen bin.
ABER – die Unterstützung der Großeltern, sofern sie körperlich und geistig dazu noch in der Lage sind, wird noch länger notwendig sein.
Kinder werden zwar selbständiger, aber dennoch brauchen sie eine vertraute Konstante in ihrem Leben und genau das ist Familie.
Es ist einfach anders, wenn man nach Hause kommt und eine geliebte Person ist da, die sich anhört, was man zu erzählen hat.
Und dann ist es ja schon auch ein gegenseitiges Arrangement, denn irgendwann brauchen auch unsere Eltern Unterstützung und das wird deutlich schwerer, wenn man getrennt voneinander lebt.
Wenn ich meine Eltern besuche ist es nicht nur schön, weil ich in meiner Heimat bin und meine Eltern, Schwester und Freunde sehen kann, sondern auch, weil ich einmal nicht die ganze Zeit den Dauerbespaßer spielen muss.
Die Betreuung der Kinder verteilt sich einfach auf Drei. Meist habe ich dann sogar komplett meine Ruhe, weil die Kids eh viel lieber mit Oma und Opa spielen.
Als wir auf Grund der Erkrankung meiner Tochter sieben Wochen in Heidelberg waren, wurde mir der Familienwert noch deutlicher bewusst.
Dadurch, dass zu Beginn meine Schwiegermutter und die letzten Wochen dann meine Eltern immer da waren, konnte ich den Alltag dort entspannt bewältigen. Während ich mit meiner Tochter zur Behandlung fuhr, kümmerten sich die Großeltern um meinen Sohn, der damals gerade ein Jahr alt wurde. Sie gingen einkaufen und kochten das Mittagessen. Ich musste mir nie Sorgen machen, dass er nicht gut versorgt ist oder dass es ihm nicht gut geht. Es war so eine große Entlastung und ich fand auch mal Zeit für mich, in der ich mich ausruhen konnte.
Immer wieder überlege ich, ob es nicht deutlich entspannter wäre, wenn wir in die Nähe der Großeltern ziehen würden. Die Kinder hätten eine Anlaufstelle, wenn ich auf Grund meiner Arbeit einmal nicht pünktlich zu Hause sein kann und natürlich kann ich auch umgekehrt eine Hilfe sein, wenn sie diese benötigen.
Viele Menschen sorgen sich, dass man nicht mehr so unbeschwert und vor allem unbeobachtet leben kann, wenn man in der Nähe der Eltern lebt. Man befürchtet einen Übergriff ins eigene Leben, dass die Eltern plötzlich dauernd auf der Matte stehen und man ständig helfen muss.
Es gibt mit Sicherheit auch Familien wo das so ist und dann kann ich die Zweifel und die Ablehnung durchaus verstehen.
In Familien kommt es häufig vor, dass man sich gegenseitig in das Leben des jeweils anderen einmischt und obwohl man es doch nur gut meint, ist das selten gewünscht.
Zumindest dann, wenn diese Einmischung belehrend, besserwisserisch und zu oft vorkommt.
In meinen Augen hat das jedoch auch viel mit Organisation und natürlich mit Kommunikation zu tun.
Bevor man sich entschließt umzuziehen, um näher bei den Eltern zu wohnen, müssen die gegenseitigen Ansprüche und Vorstellungen geklärt werden.
Wer erwartet was vom anderen.
Um langfristig Freude an der Konstellation zu haben, ist es mit Sicherheit gut, wenn jede Partei für sich lebt. Eigener Eingang, eigenes Grundstück.
Man muss die Tür zu machen und unter sich bleiben können. Ansonsten überkommt einen schnell das Gefühl eingeengt zu sein. Besonders für denjenigen, der zu den Schwiegereltern zieht…
Dann müssen Regeln aufgestellt werden, damit es im Nachhinein keine Missverständnisse gibt.
Als Beispiel:
Niemand betritt ungefragt die jeweils andere Wohnung oder das Haus des anderen.
Und dann gilt natürlich allgemein die Regel: Wen etwas stört, der möge es umgehend aussprechen!
Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man Ärger in sich hineinfrisst und er unausgesprochen in der Luft hängt. Je länger man wartet, umso größer ist die Gefahr, dass es sich irgendwann unangebracht heftig entlädt.
Fazit: Wenn jeder sein Leben so leben darf, wie er es gerne möchte, man sich gegenseitig wertschätzt und respektiert, dann kann es eine Win-win Situation für beide Seiten sein, in der man sich gegenseitig unterstützt und das Leben deutlich vereinfacht.
Nun muss so eine Konstellation ja nicht unbedingt aus Eltern und Kindern bestehen. Es können auch die Geschwister oder gute Freunde sein, mit denen man beschließt, näher zusammen zu wohnen.
Die gegenseitige Unterstützung, die man sich gegenseitig geben kann, ist sehr wertvoll und lohnt sie in Betracht zu ziehen. Wir müssen nicht immer alles alleine stemmen und viel Geld für Fremdbetreuung und andere Dienstleistungen ausgeben. Es könnte oft so viel einfacher sein und dennoch wählen wir den schwierigeren Weg.
Immer wieder lese und höre ich von Wohnprojekten, in denen bewusst verschiedene Generationen zusammengeführt werden, um sich gegenseitig unterstützen zu können. Besonders für Alleinerziehende, junge Familien und ältere Menschen, die nicht auf die Hilfe ihrer Familien zurückgreifen können, sind solche Gemeinschaften doch eine tolle Sache, um sich das Leben etwas zu vereinfachen.
Ich selbst wohne nicht mit meinen Eltern zusammen. Zum Glück habe ich jedoch meine Schwiegereltern in der Nähe, so dass ich immer wieder auf deren Unterstützung zurückgreifen kann. Bis vor kurzem wohnten außerdem noch Freunde über uns, mit denen wir die Konstellation hatten, dass wir uns gegenseitig helfen konnten.
Wahrscheinlich bekommt mein Mann jetzt panische Angst, wenn er diesen Artikel liest und sie wird nicht ganz unbegründet sein.
Denn je mehr ich darüber nachdenke, umso sinnvoller erscheint mir eine Konstellation, in der ich auf die unmittelbare Hilfe meiner Eltern zurückgreifen und umgekehrt ihnen diese auch zurückgeben kann.
Jede Mutter ist eine Heldin – auch Du!
Es grüßt Dich
Deine Susanne